Es muss einer den Frieden beginnen by Holdack Nele

Es muss einer den Frieden beginnen by Holdack Nele

Autor:Holdack, Nele
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2014-07-14T16:00:00+00:00


IV

Annas Freundin, Marie, wohnte bei ihrer Schwester im vierten Stock des zweiten Hintergebäudes. Die Kammer war genauso lang wie das schmale Eisenbett, das den Raum zwischen Tür- und Fensterwand bis auf den letzten Zentimeter ausfüllte.

Beim Fenster verbreiterte sich die Kammer etwas. Dort stand das dreibeinige, geschwungene Eisengestell mit der Waschschüssel. Für Stuhl und Tisch war kein Platz. Wenn Marie sich morgens wusch, musste sie im Bett aufknien und von hier aus das Gesicht ins Wasser stecken.

An einem Sonntagnachmittag saß Anna auf dem Fußende des Bettes, während Marie völlig nackt auf dem Bett stand und dabei war, sich für den Spaziergang anzukleiden.

Im Hauptraume nebenan lag der Freund der Schwester, deren Mann im Kriege war, schlafend auf dem rostbraunen Kanapee. Die zwei Söhne der Schwester, acht- und neunjährig, standen sinnend vor dem alten Kinderwagen, in dem ihr halbjähriges Brüderchen – Sohn des Schlafenden – lag, beide Fäustchen an die Wangen gedrückt, und beratschlagten, wie sie für den Nachmittag zu einem Wagen kommen könnten.

»Wir montieren einfach die Karosserie ab, dann haben wir das Chassis«, sagte der Ältere, der den Schraubenzieher schon in der Hand hatte.

»Aber leise, sonst fängt er an zu brüllen.«

Sie zogen die acht Schrauben heraus, hoben das Oberteil mit dem erwachenden Säugling herunter auf den Fußboden und verschwanden mit dem Radgestell. »Heut Abend montieren wir die Karosserie wieder auf … Da, jetzt brüllt er schon.«

Auch der Freund, ein Motorenschlosser, erwachte und sah sich sofort nach dem Kinderwagen um. Der Platz war leer. Dennoch, kein Zweifel, schrie ein Säugling. Er rieb sich die Augen und staunte schlaftrunken hinunter auf seinen Sohn. Sekunden später trug er ihn strahlend umher.

Das hatte sich so von selbst aus dem Ganzen ergeben. Er hatte die Schlafstelle – das Bett des Mannes, der im Kriege war – gemietet. Anfangs war der Tisch zwischen den zwei Betten gestanden, die Grenze zu markieren. Nur in der ersten Woche wurde beim Schlafengehen das Licht ausgedreht. Mit dem Gelde, das er für schlechteres Essen im Gasthaus hätte hinlegen müssen, bestritt die Frau den Haushalt für die ganze Familie, die unversorgt zurückgeblieben war. Die zwei Betten standen wieder nebeneinander.

Die Frau erschien mit der waschnassen Schürze und der Wurzelbürste im Türrahmen. »Hat er geschrien?« Ihr Gesicht war grau, die Haut schlaff. Nur die braunroten Lippen waren glatt, blutvoll gespannt und korrespondierten, wie sie offen standen, mit den immer neugierig fragenden Augen. Sie war älter als der Motorenschlosser.

»Da, schau her!«, rief er, von neuem erheitert, und deutete.

»Das haben die zwei Gauner schon heute Nacht im Bett besprochen.« Sie gab dem Säugling die Brust, die noch auffallend jung war, weiß, nicht groß und himmelblau geädert.

Der Schlosser, Hände in den Hosentaschen, beobachtete mit größter Aufmerksamkeit den saugenden Mund, die gierigen Schluckbewegungen seines Sohnes.

In einigen Tagen sollte der Mann auf Urlaub kommen.

In der Kammer ertönte das Lachen der Schwester, die immer noch nackt auf dem Bett stand und das kurze Hemdchen, das sie sich morgens genäht hatte, unter Annas Beihilfe und prüfenden Blicken anprobierte.

Auch den Strumpf zog sie stehend an. Vom winzigen Füßchen bis zum Knie war das Mädchenbein schlank und vorbildlich schön.



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